Aufbruch in ein neues Leben by Lacrosse Marie

Aufbruch in ein neues Leben by Lacrosse Marie

Autor:Lacrosse, Marie [Lacrosse, Marie]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann
veröffentlicht: 2019-08-09T16:00:00+00:00


Teil 3

Ernüchterung

Kapitel 15

Weingut bei Schweighofen

Ende Februar 1872

»Und ihr möchtet wirklich keinen Kuchen?« Ottilies Stimme zitterte leicht. Ihre Miene zeigte, dass sie das für ein schlechtes Zeichen hielt. »Man kann gegen meine Köchin sagen, was man will, aber ihre Apfeltorte ist ihr noch immer gelungen.«

»Nein danke«, antworteten Franz und Wilhelm Gerban wie aus einem Munde. »Kaffee ist vollkommen ausreichend«, fügte Franz hinzu.

»Nun gut«, Ottilies Stimme klang nun genauso spitz, wie ihre Nase war. »Gregor wird jeden Augenblick kommen. Wollt ihr mir nicht schon einmal sagen, was der Grund für euren überraschenden Besuch ist, noch dazu mitten in der Woche?«

»Wir warten, bis Gregor da ist.« Wilhelms Tonfall duldete keinen Widerspruch. »Du sagtest doch, du hast einen Stallburschen geschickt, um ihn zu holen, und er sei nicht weit weg vom Haus. Dann wird er ja jeden Moment eintreffen.«

»Nun gut«, wiederholte Ottilie. »Wie geht es denn Pauline?«, wechselte sie abrupt das Thema.

Was für eine gehässige Person, dachte Franz. An meiner Mutter ist ihr nicht das Geringste gelegen. Sie möchte nur in unserer Wunde stochern.

»Besser«, gab Wilhelm Ottilie Auskunft. »Die Ärzte berichten, dass sie wieder bei klarem Bewusstsein ist und an verschiedenen Freizeitbeschäftigungen teilnimmt. Man zieht sogar in Erwägung, sie einen Handarbeitszirkel leiten zu lassen.«

»Ach, wie erfreulich!«, säuselte Ottilie mit einem falschen Lächeln. »Dann wird sie doch sicherlich bald entlassen?« Ihre Frage hatte etwas Lauerndes.

Wilhelm schüttelte den Kopf. »Davon kann keine Rede sein! Ihr Verstand bleibt nachhaltig zerrüttet. Sie bildet sich alles Mögliche ein und hält sogar uns, ihre Familie, für ihre Feinde. Daher wird sie wohl dauerhaft in der Anstalt verbleiben müssen. Wir alle haben nicht einmal eine Besuchserlaubnis.«

Es war Franz zwar ein schwacher Trost, dass Dr. Bertram vor einigen Tagen auch seinen Vater gebeten hatte, Abstand von weiteren Besuchen zu nehmen. Die Patientin wünsche, ihn nicht mehr zu sehen, da sie dies zu sehr aufregen könnte. Aber der Schmerz über ihre Zurückweisung saß nichtsdestoweniger tief.

»Doch diese traurige Angelegenheit erleichtert es uns zumindest, eine akzeptable Lösung für unser heutiges Problem zu finden«, zahlte Wilhelm Ottilie ihre vorgetäuschte Anteilnahme mit einem süffisanten Unterton heim.

Franz’ Tante wurde bleich. Zum Glück hörten alle in diesem Moment das Rollen eines Wagens auf dem Kies der Einfahrt. Schon kurze Zeit später polterte Gregor die Treppe hinauf und betrat den Salon.

»Guten Tag zusammen«, begann er brüsk. »Was eilt denn so sehr, dass ihr mich am helllichten Tag hier herbeizitiert? Ich habe gerade den Riesling-Weinberg besichtigt, den wir im letzten Frühjahr neu angelegt haben.«

»Gregor!«, rief Ottilie mit hoher Stimme. »Du verdreckst mir mit deinen Stiefeln den ganzen Teppich! Zieh sie sofort aus!« Sie riss so stark am Klingelzug, dass Franz einen Moment lang glaubte, die Schnur würde aus der Verankerung springen.

Während sich das Gesicht seines Onkels rot färbte und Wilhelm ein spöttisches Lächeln aufsetzte, hielt es Franz nicht mehr auf seinem Sitz. Ich brauche frische Luft. Ich ersticke in dieser scheinheiligen Atmosphäre.

Er erhob sich aus seinem viel zu weichen Sessel, ohne auf den Schmerz zu achten, den ihm sein Beinstumpf dabei bereitete, und öffnete die Flügeltüren, die auf den Balkon hinausführten.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.